Stadtkirche Bad Hersfeld

Geschichte der Bad Hersfelder Stadtkirche

Stift und Stadt – das sind die Pole, zwischen denen 400 Jahre Hersfelder Ge­schichte sich spannen, nachdem um 1230 eine Ringmauer die ungleichen Partner auf Gedeih und Verderb zusammengeschlossen hat: das Stift, ehr­würdig im müden Abglanz versunkener Reichsherrlichkeit, und die Stadt, unbelastet und jugendfrisch, mit dem Optimismus unbegrenzter Möglich­keiten in lockender Zukunft. Getrennte Welten im Ring der einen Mauer, auch räumlich auseinander gesperrt durch die ganze Breite der damals noch unbebauten »Ebenheit« (das ist die große Fläche, die wir heute den Markt­platz nennen), getrennt auch in der Art, wie beide ihre Sonderheit in Denk­malen und Bauten zum Ausdruck bringen.

Vom Bau der gotischen Kirchenhalle
(ca. 1350 bis 1370)

Als der Neubau der Halle soweit war, dass man das alte Gemäuer der Basilika niederreißen musste, um Platz für den Choranschluss und die Pfeiler zu schaffen, blieben ganz allein die beiden Schulterstücke der Basilika, obwohl sie verschrägt standen, erhalten und sind es noch heute. Das rechte, weil es das Gewölbe der kleinen Chorvorhalle trug, von der wir eben gesprochen haben; und das linke, weil es die Rückwand der damaligen »Marienkapelle«, wie wir sie nannten – heute Sakristei – bildete.

Vom Ausbau des Turmes (ca. 1500 bis 1584)

Nach der Feuersbrunst von 1439 gingen weitere sechzig Jahre dahin, in de­nen am Bau nichts Wesentliches geschah. Und doch war ihr Gleichmaß durch schwere Rückschläge durchbrochen: durch die Pestjahre 1470 und 1486, und durch die Kriegsjahre von 1469 und 1489, als sogar des Landgrafen Söhne vor Hersfelds Mauem gewaffnet gegeneinander zogen. Alles dieses lag drückend auf der Stadt und hatte vergessen gemacht, dass der Turmstumpf an der Stadtkirche nun schon seit 150 Jahren nach seiner Vollendung verlangte.
Es scheint, als ob auch noch das Jahr 1500 vorüberging, ehe es zum Weiterbau kam. Nur zwei Zeugnisse liegen dafür vor. Hier das erste (Hersf, Urk. 1505 April 24): Ymmel, die Frau des Johannes von Buchenau, vermacht der »Fabrik der Pfarrkirche« zu Hersfeld einen Garten zur » Ausbesserung und Erbauung des Turmes«. Ähnlich (1508 Jan. 14) bedenkt der Bürger Hentz Hainer dieselbe Bauhütte, wobei er als Zweck angibt: ad structuram Turris et edificationem et conservacionem parochialis ecclesiae Hersfeldensis (zur Errichtung des Turmes und zur Erhaltung der Pfarrkir­che). 1532 werden Gülten erwähnt, die »zur Erbauung des Turmes an der Stadtkirche« dienten. So setze ich denn die Hochführung des Mauerwerks am Turm in die zwei Jahrzehnte von 1500-1520. Noch ehe die reformatorische Bewegung von 1523 und der Bauernaufruhr von 1525 das Gefüge und sichere Selbstbewusstsein der Stadt aufs tiefste erschütterten, und ehe das unnachsichtige und harte Vorgehen des Landgrafen jede Unternehmungslust auf Jahrzehn­te lähmte, musste dieses spätmittelalterliche Werk zustande gekommen sein. Und in der Tat, in einem Zuge und ohne ersichtliche Fuge wuchsen die vier neuen Stockwerke über die zwei alten empor, nur dass mit Beginn der bei­den obersten die Art und Farbe des Steines wechselt (vgl. aber hierzu S. 31).Das Maßwerk dieser beiden Obergeschosse, bei dem ersten blind aufgelegt, bei dem obersten offen, zeigt späteste gotische Formen (Fischblasenmuster). Die »Künstlerlaune« des Steinmetzen bringt an dem Gewände mehrerer Fenster weltliche Köpfe an, reichlich ungeschickt, aber so gedacht, als ob all diese Leutchen, die junge Frau und der bärtige Alte von dieser hohen Warte aus fröhlich in die Lande hinausschauten.

Die Stadtkirche zu Bad Hersfeld als Ort des Lebens 1990-2013

Wir schreiben das Jahr 1323. Die Chronik der Hersfetder Stadtkirche vermerkt: Vollendung des Chorraums. Und dann geht es sozusagen Schlag auf Schlag. Mit der Errichtung des mächtigen Kirchturms um 1330 erfolgt die zweite Phase des Ausbaus zur gotischen Hallenkirche.
Warum ich das hier vermerke? Im Jahr des Herrn 2002 beginnen die Ausgrabungsarbeiten zur großen Zisterne im Hof zwischen Gemeindehaus und dem Haus der Diakonie. 2003 findet die Einweihung statt. Eine der Thesen, warum an dieser Stelle eine überdimensionierte Zisterne entstand, lautet folgendermaßen: Für den Bau der Stadtkirche wird offenbar sehr viel Wasser gebraucht; ein Umstand, dem durch die Anlage einer „Superzisterne“ nun Rechnung getragen wurde.
1323 – 2003. Damit ist der Bogen von der älteren zur Jüngeren Geschichte der Stadtkirche geschlagen. Mehr als 23 Jahre habe ich an der Stadtkirche als Pfarrer der 1. Pfarrei und als Dekan des Kirchenkreises gewirkt. Deshalb möchte ich aus dieser Zeit einige Schlaglichter auf die jüngere Geschichte der Stadtkirche werfen.
Im Jahr 1992 findet eine große Ausstellung mit 58 Originalholzschnitten des Künstlers Walter Habdank im Chorraum statt. Es sind durchweg biblische Themen, die vom 13.9.- 10.10.92 den ganzen Tag über zu bewundern sind. Von der Schöpfung bis zum Osterfest geben alt- und neutestamentliche Bilder Einblicke in das Werk des· Künstlers: ,,Der wahrhaftige Mensch allein vor Gott“.
ln einem weiteren Bauabschnitt lässt der Kirchenvorstand der Stadtkirchengemeinde im Jahr 1993 an der Südseite die echt antik bleiverglasten Fenster sanieren. Nach außen hin bekommen die Fenster, die nach dem Brand der Stadtkirche in 1952 neu eingesetzt worden waren, eine drei Millimeter starke Zusatzverglasung aus Kunststoff. Nach innen werden Schäden an den Scheiben behoben, die Gläser gereinigt und neu verlötet.

Stelen der Stadtkirche Bad Hersfeld